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Neue Realität: Der Preiseinbruch bei natürlichen und synthetische diamanten

Stefan
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Der Guardian hat einen aktuellen Bericht zum Diamantenmarkt veröffentlicht und meldet, dass Lab-Diamanten den Markt erobern, während die Preise für natürliche Diamanten um 26 % eingebrochen sind. Für viele klingt das überraschend, für die Branche ist es längst Alltag: Ein Markt in Bewegung, getrieben von neuen Angeboten, anderen Erwartungen und knapperen Budgets.

Synthetische — oder im Labor gezüchtete — Diamanten haben die Branche auf den Kopf gestellt: Für Verbraucherinnen und Verbraucher sind sie eine deutlich günstigere Alternative zu natürlichen Steinen, Händlerinnen und Händler locken sie mit attraktiven Margen. Zugleich ist die Kategorie umstritten — wegen ihrer Folgen für die traditionelle Industrie und wegen teils missverständlicher Aussagen mancher Anbieter zu Wert und Nachhaltigkeitsnutzen des Produkts. Auch der jüngste Preissturz bei natürlichen und im Labor gezüchteten Diamanten beschäftigt die Branche. Aus all diesen Gründen erhalten synthetische diamanten gerade besonders viel Aufmerksamkeit — ob es um Preise, Bewertungen oder die Strategien großer Akteure wie De Beers, Swarovski oder Madestones geht.

Verlieren Diamanten an Wert?

Diamanten ziehen sich durch die Menschheitsgeschichte. Die alten Griechen staunten über ihre außergewöhnliche Härte. Millionen Ehen wurden mit Diamanten besiegelt — als Symbol für Beständigkeit und Glanz. Die Vorstellung, Diamanten könnten an Wert verlieren, wirkt daher gegen die Intuition. Und doch fallen die Preise schnell und ohne klaren Trend zur Umkehr. Natürliche Diamanten kosten im Handel 26 % weniger als vor zwei Jahren — ein Rückgang in einer Phase hoher Inflation, der schon für sich genommen bemerkenswert wäre, stünde er nicht im Schatten des Schicksals ihrer identischen Zwillinge: synthetische diamanten, die heute 74 % günstiger sind als 2020.

Für die deutlichen Rückgänge gibt es mehrere Gründe, sagt Edahn Golan, Managing Partner bei Tenoris, einem Tracker für Diamanten-Einzelhandelspreise. „Nach Covid gab es einen Nachfrageschub nach Diamanten“, so Golan — Teil des „Rachekonsums“, der den postpandemischen Boom bei Luxus und nachgeholten Hochzeiten mitprägte. Nachdem diese enorme Nachfrage bedient war, setzte eine Abkühlung ein. Kurz: erst Überhitzung, dann Normalisierung — und nun ein nüchterner Blick auf Preis und Nutzen.

Doch warum hält der Trend an?

Darauf gibt es zwei Antworten: eine für natürliche Diamanten und eine für ihre synthetischen Gegenstücke. Beide Märkte hängen zusammen, reagieren aber unterschiedlich — und genau das treibt die Dynamik.

Der Grund für den Preiseinbruch bei natürlichen Diamanten

Branchenangaben zufolge hängt ein Großteil des Rückgangs mit dem Aufstieg im Labor gezüchteter Diamanten zusammen, die inzwischen in den USA fast die Hälfte der Verlobungsringverkäufe ausmachen. Diese Steine sind natürlichen Diamanten physikalisch und chemisch gleich, kosten aber bis zu 90 % weniger. Die Preisschere öffnet sich weiter, weil die Produktionstechnologie reift und das Angebot skaliert. Kundinnen und Kunden entscheiden sich zunehmend für größere oder hochwertigere Steine zu niedrigeren Preisen — zulasten der Nachfrage nach natürlichen Diamanten, besonders im unteren und mittleren Marktsegment.

Der Abschwung könnte struktureller Natur sein, nicht nur zyklisch. Jahrelang war das Angebot streng gesteuert, die Preisbildung relativ stabil. Der Boom synthetischer diamanten hat dieses Gleichgewicht verschoben. Gleichzeitig drücken makroökonomische Gegenwinde: nachlassende Kauflust in China, vorsichtiger Konsum bei nicht lebensnotwendigen Ausgaben, höhere Finanzierungskosten. Auch der Handel agiert defensiver, hält Lager kleiner, dreht Bestellschrauben enger und vermeidet Risiken — das macht die Preisschwäche sichtbarer und länger spürbar.

Der Grund für den Preiseinbruch bei synthetische diamanten

Die Ursache ist offenkundig. Die relativ niedrige Eintrittsschwelle, verfügbare Technologien und anfangs hohe Margen haben viele neue Anbieter angezogen. Der Wettbewerb verschärft sich, das Angebot wächst schneller als die Nachfrage, und entsprechend fallen die Preise. Dieser Prozess setzt sich fort, bis ein Schwellenwert unterschritten wird, der für Konsumentinnen und Konsumenten „Edel“- von „Modeschmuck“ trennt. An diesem Punkt werden sich die Märkte für im Labor gezüchtete und natürliche Diamanten endgültig und dauerhaft voneinander abkoppeln. Natürlich sollte der Preis natürlicher Diamanten oberhalb dieser Schwelle liegen — je höher, desto besser. Auf diesem einfachen Modell beruhen die Prognosen von Rapaport und BCG, doch ein Problem mindert ihre Aussagekraft: Auch die Preise natürlicher Diamanten und anderer Edelsteine stehen unter Druck.

„Es ist gerade keine gute Zeit, einen Diamanten zu kaufen“, sagte ein Juwelier an einem Wochenende in Hatton Garden, dem Zentrum des Londoner Diamantenhandels. „In ein paar Wochen sind sie wahrscheinlich billiger.“ Ernüchternd, aber ehrlich: Der Markt sortiert sich neu, und Preislisten wandern schneller als früher.

Hat diese Einschätzung Substanz — und geht der Preisverfall weiter?

Die Preise natürlicher Steine haben voraussichtlich noch Luft nach unten. Betrachtet man, was sich derzeit überwiegend verkauft und wie die aktuelle Käuferschaft zu im Labor gezüchteten Diamanten steht, wird sich die natürliche Diamantindustrie anpassen müssen. Der Markt wird mit günstigen synthetische diamanten überschwemmt, und viele erkennen den Mehrwert natürlicher Steine nicht mehr so deutlich wie früher. Die Preise natürlicher Steine dürften daher fallen, bis ein Niveau erreicht ist, auf dem Käuferinnen und Käufer wieder einen klaren Zusatznutzen in natürlichen Diamanten sehen — Herkunft, Seltenheit, geprüfte Qualität, emotionaler Wert.

Größere Steine und seltene Farben werden bei natürlichen Diamanten wahrscheinlich gefragt bleiben. Hier zählt das Besondere, das sich nicht beliebig vermehren lässt. Im Alltagsgeschäft aber entscheiden viele schlicht nach Budget und Optik — und da haben Lab-Steine derzeit die Nase vorn. Das ist nicht romantisch, aber nachvollziehbar: gleiche Brillanz, kleinerer Preis.

Dass die Preise für im Labor gezüchtete Steine weiter sinken, ist möglich — sofern die Prozesse effizienter werden und die Distribution schlanker. Doch allein die Schwankungen bei den Kosten synthetischer diamanten werden die Schmuckpreise nicht komplett durchrütteln, denn jeder Stein muss weiterhin geschliffen, poliert, transportiert und gefasst werden — all das trägt erheblich zu den Gesamtkosten bei. Am Ende bestimmen also nicht nur „Rohpreis“ und Zertifikat, sondern auch Handwerk, Design und Marke den Endbetrag auf dem Preisschild.

Denkbar ist die Ausbildung eines zweigeteilten Marktes: Wirklich außergewöhnliche, verifizierte natürliche und synthetische diamanten — etwa seltene, makellose, farbige Steine — könnten ihren Wert halten oder sogar zulegen. Das wäre das Premiumsegment, während der breite Markt stärker über den Preis definiert bleibt. Für Konsumentinnen und Konsumenten hieße das: oben knapper und teurer, unten mehr Auswahl und häufig bessere Optik fürs Geld.

Warum der Preisverfall relevant ist

Der fallende Diamantenpreis hat weitreichende Folgen für die Branche — für Juweliere, Bergbauunternehmen und Förderländer, in deren Volkswirtschaften der Diamantenhandel eine wichtige Rolle spielt. Geschäftsmodelle, die auf knapper Ware und stabilen Preisen basierten, geraten unter Druck. Gleichzeitig entsteht Raum für neue Angebote, etwa größere Steine zu Preisen, die vor wenigen Jahren undenkbar waren. Marken werden stärker erklären müssen, wofür ihre Steine stehen — Herkunft, Verantwortung, Design — und warum genau das den Aufpreis rechtfertigt.

Kurzfristig könnten Luxusgüter mit Diamantbesatz für breitere Käuferschichten erreichbar werden. Der parallele Preisrückgang bei im Labor gezüchteten Diamanten deutet jedoch auf ein allgemeineres, nachlassendes Interesse an Diamanten hin. Dieser Trend könnte einen breiteren Wandel der Konsumvorlieben zugunsten alternativer Edelsteine signalisieren — und zugleich die anhaltenden Schwierigkeiten des Luxussektors nach Jahren inflationsgetriebener Sparsamkeit widerspiegeln. Wer heute kauft, vergleicht intensiver und fragt häufiger nach Herkunft, Klima- und Sozialbilanz — ein Punkt, bei dem synthetische diamanten oft offensiver vermarktet werden, auch wenn Details je nach Anbieter variieren.

Die scheinbar beunruhigende Nachricht vom Preiseinbruch bei natürlichen und synthetische diamanten ist für zentrale Marktakteure tatsächlich ein brauchbarer Hinweis: Jetzt ist die Zeit, Strategien neu auszurichten. Für Käuferinnen und Käufer wiederum ist sie ein Signal nahender Marktveränderungen, die man im Blick behalten sollte, um in den nächsten Tagen und Wochen die richtige Entscheidung zu treffen — ob für einen Antrag, ein Jubiläum oder schlicht ein Schmuckstück, das Freude macht. Am Ende zählt: informiert entscheiden, Erwartungen justieren und keine Scheu vor neuen Optionen haben. So bleibt der Kauf am Ende das, worum es eigentlich geht — ein schönes Stück, das lange gefällt.